Juli 2024

Erst vor wenigen Tagen, am 1. Mai 1747, war das für Preußens König Friedrich II. als Weinbergschloss entworfene Refugium „Sans souci“ („ohne Sorge“) offiziell eingeweiht worden. So gehört Johann Sebastian Bach zufällig zu den ersten Besuchern dieser heute weltweit bekannten Touristenattraktion. Der heute weitgehend vergessene Jurist und Schriftsteller Karl Leopold Mayer (1880-1965), jüdischer Herkunft und nach der Flucht vor dem Holocaust 1957 aus Uruguay nach Deutschland zurückgekehrt, widmete den größten Teil seiner Lyrik besonderen Begebenheiten der deutschen Geschichte, so auch der Begegnung Bachs mit dem preußischen König am 7. Mai 1747. Foto Musikzimmer Schloss Sanssouci: Dr. Gunhild Schöler

Literaturlandschaften e.V.

Bach in Potsdam, 7. Mai 1747

Die Kerzen spiegeln an den Marmorwänden,
die hohen Türen öffnen sich der Nacht. – 
„Es-Dur-Konzert von Graun …“ Der König hebt
die Flöte an den Mund, die Geiger setzen
den Bogen an, das Thema blühet und funkelt,
vom Cello angestimmt – „Tiens, messieurs,
der Nacht-Rapport“ – Ein Blick. „Bach ist in Potsdam,
Johann Sebastian – der alte Bach!“
Das Cembalo verstummt, die Saiten klirren – 
„Verzeiht, messieurs, die Soirée fällt aus,
Wir danken!“ Und die Musikanten gehn,
gehen stumm und mürrisch wie gestrafte Kinder,

die man vor Tisch zu Bette schickt. – Und Friedrich
erwartet Bach auf der Terrasse – leise 
meldet sich eine Nachtigall – die Stadt 
hüllt sich in Mainacht ein, die Sterne flackern,
ein alter Mann, ein schlichter alter Mann,
verneigt sich tief – „Ist Er Johann Sebastian,
der große Bach?“ – „Ich bin der Kantor Bach.“
„Ich hab auf ihn gewartet, Bach, Er soll
Mir eine Fuge spielen, wie Er spielt,
wenn Er für sich spielt – in einsamer Stunde: 
Weiß er von Einsamkeit?“ – „Ich habe immer
noch einen Partner, Sire.“ – „Der wäre?“ – „Gott!“ 

Karl Leopold Mayer (1880-1965)