März 2025

Noch immer findet man unmittelbar hinter „dem gemauerten Tore“ des Husum nahen Hattstedter Friedhofs den Grabstein des ehemaligen Deichgrafen Johann Iwersen Schmidt (1798–1875). Dessen Beerdigung dürfte die Vorlage für die Schilderung der „großen Leiche im Dorf“ in Theodor Storms „Schimmelreiter“ gewesen sein. Vermutlich hat Storm selbst an der Beerdigung teilgenommen, da er auf dem Deichgrafenhof Lundenberg in der Hattstedter Marsch verkehrte und die Familie des Deichgrafen persönlich kannte. Im „Schimmelreiter“ wird aus Iwersen Schmidt die literarische Gestalt des alten Deichgrafen Tede Volkerts, der dem klugen jungen Hauke Haien die einzige Tochter vermählt und dem Arme-Leute-Sohn damit die Voraussetzung für das Amt des Deichgrafen schafft. Das „gemauerte Tor“ begrüßt nach wie vor die Besucher des Friedhofs. Foto: Inke Raabe.

Literaturlandschaften e.V.

Und nun gab es eine große Leiche im Dorf. Droben auf der Geest auf dem Begräbnisplatz um die Kirche war zu Westen eine mit Schmiedegitter umhegte Grabstätte; ein breiter blauer Grabstein stand jetzt aufgehoben gegen eine Traueresche, auf welchem das Bild des Todes mit stark gezahnten Kiefern ausgehauen war; darunter in großen Buchstaben:

Dat is de Dod, de allens fritt,
Nimmt Kunst un Wetenschop di mit;
De kloke Mann ist nu vergahn –
Gott gäw‘ em selig Uperstahn!

Es war die Begräbnisstätte des früheren Deichgrafen Volkert Tedsen; nun war eine frische Grube gegraben, wohinein dessen Sohn, der jetzt verstorbene Deichgraf Tede Volkerts, begraben werden sollte. Und schon kam unten aus der Marsch der Leichenzug heran, eine Menge Wagen aus allen Kirchspielsdörfern; auf dem vordersten stand der schwere Sarg, die beiden blanken Rappen des deichgräflichen Stalles zogen ihn schon den sandigen Anberg zur Geest hinauf; Schweife und Mähnen der Pferde wehten in dem scharfen Frühjahrswind. Der Gottesacker um die Kirche war bis an die Wälle mit Menschen angefüllt, selbst auf dem gemauerten Tore huckten Buben mit kleinen Kindern in den Armen; sie wollten alle das Begraben ansehn. 

 (Theodor Storm, Der Schimmelreiter, 1888)