November 2025
Drei Gleichen (Landkreis Gotha)
Ursprünglich im 11. Jahrhundert zum Schutz der großen Handelsstraße von Thüringen nach Franken errichtet, zerfiel die Burg Gleichen, die der Region gemeinsam mit der Mühlburg und der Wachsenburg den Namen gab, bereits im 30-jährigen Krieg nach dem Aussterben des Geschlechts derer von Gleichen. Es war die Überlieferung vom hier residierenden „zweibeweibten“ Grafen, die die Gleichenburg literarisch unsterblich werden ließ. Das einmalige Landschaftsensemble fasziniert bis heute, ob beim Blick von der vorbeiführenden Autobahn A4, aus dem Zugfenster oder bei einer Wanderung auf dem Gustav-Freytag-Weg rund um die drei Burgen. Unser Foto zeigt den vermutlich seit tausend Jahren unveränderten Anblick der aus tiefem Nebel herausragenden Türme der Ruinen Gleichenburg (links) und Mühlburg (Mitte) und rechts die gut erhaltene, heute als Hotel genutzte Wachsenburg.
Foto: touristinfo-kulturscheune Drei Gleichen.
Literaturlandschaften e.V.
Der Graf von Gleichen war gemeinsam mit Elisabeths Mann, dem Landgrafen Ludwig, ins Heilige Land gezogen. Im Gegensatz zu Ludwig kam er jedoch nach jahrelanger Gefangenschaft zurück, und zwar nicht allein. Eine muslimische Prinzessin – es ist von einer Türkin die Rede und der Türkenweg, der zur Burg hinaufführt, zeugt noch immer davon! – verhalf ihm zur Flucht. Er hatte ihr die Ehe dafür versprochen. Vorsichtshalber reiste er mit seiner hübschen Retterin zunächst zum Papst, der in diesem besonderen Fall Dispens für eine Doppelehe erteilte.
Jetzt kam alles auf die Gräfin hier oben an. Und das Wunder geschieht: Aus Dankbarkeit über seine Rückkehr teilt sie den Ehemann mit der jungen Rivalin. Unverzüglich lässt sie ein Dreierbett anfertigen und bezieht es mit erlesener Bettwäsche. So präsentiert sie es dem verblüfften Gatten.
„Dieser redende Beweis von der zuvorkommenden ehelichen Gefälligkeit seiner Gemahlin rührte ihn von der Stelle“, schreibt Johann Karl August Musäus in seinen ,Volksmärchen der Deutschen‘: „Er hing an ihrem Halse und küsste sie außer Atem beim Anblick dieser Anstalten zur Vervollkommnung seiner Ehefreuden. Herrliches Weib! rief er mit Entzücken aus, dieser Liebestempel erhebt dich über Tausende deines Geschlechts.“ Und er versichert der klugen Frau, dass, solange noch ein Span von dem Bett übrig sein wird, die Männerwelt „ihren Gattinnen deine exemplarische Gefälligkeit anpreisen“ wird.
Die muslimische Prinzessin erhält den christlichen Namen Angelika, und dann zieht häuslicher Friede auf der Burg ein. Das mächtige Bett tut viele Jahre seinen Dienst … „Und ihr Glück, und ihre Liebe fasste selig Eine Wohnung, Ein Bett, und Ein Grab“, übernahm Goethe das polyamore Vorbild in der ersten Fassung seines Trauerspiel „Stella“ (um es später nach einigen Aufführungsverboten in ein seiner Zeit moralisch erträglicheres tragisches Ende der drei Liebenden umzuwandeln).
Aus: Koch, Ach Weimar, geliebtes Weimar („Anreise und ,Wundervolles mächtiges Gefühl‘“), 2006.
