April 2025

„Nie, seitdem er sich mit Diamanten schmückt oder ins Blech bläst, war er auf einen seltsameren Vorschlag, einen verwirrenderen Einfall gekommen als in dem Augenblick, da er die Gärten erfand“, schreibt der Schriftsteller Louis Aragon (1897–1982) in seinem Buch „Der Pariser Bauer“ über die „Gartenentdeckung“ des Menschen. Es war der Abt des Klosters Reichenau, Walahfrid Strabo (807–849), der mit seinem „Buch über die Gartenkunst“ eine der Gründungsurkunden der abendländischen Gartenkultur stiftete. Unser Bild zeigt den Garten des Klosters Reichenau, in dem noch heute alle 24 von Strabo empfohlenen Pflanzen heimisch sind. Foto: Irina Drewniok, Klostergärten Insel Reichenau. 

Literaturlandschaften e.V.

Salbei (Salvia)
Ganz vorn am Eingang des Gartens blüht leuchtend der Salbei, der süß duftet und voll wirksamer Kraft einen heilenden Trank gewährt. Bei vielen Leiden der Menschen erwies er sich als hilfreich, weshalb er es verdient, sich einer immerwährenden grünenden Jugend zu erfreuen. Und doch leidet der Strauch an innerem Streit, weil grausame Sprossen, entfernt man sie nicht, den Haupttrieb verdorren und voll gierigem Neid die alten Zweige absterben lassen.

Fenchel (Foeniculum)
Nicht verschwiegen sei auch der Ruhm des Fenchels, der sich mit kräftigem Spross erhebt und weit seine Arme der Zweige ausstreckt. Sein Geschmack ist ziemlich süß, ebenso verbreitet er einen recht süßen Duft. Den Augen soll er nützlich sein, wenn sie von dunklen Schatten befallen sind, und sein mit der Milch einer Mutterziege getrunkener Samen lindert Blähungen im Bauch und löst prompt die Verstopfung des beengten Leibes. Nicht zuletzt vertreibt die Wurzel des Fenchels bei der Vermischung mit dem Weine, dem Trank des Lenaeus, den keuchenden Husten.

Sellerie (Apium)
Auch wenn in unseren Gärten die Sellerie weit verbreitet ist und viele meinen, sie tauge nur zum Speisegenuss, so liefert sie doch aus eigener Kraft zahlreiche Mittel einer wirksamen Hilfe. Denn nimmt man ihren zerriebenen Samen ein, so behebt er, wie man sagt, quälende Schmerzen beim Wasserlassen. Und isst man sie selbst mitsamt ihrem zarten Trieb, so verdaut sie die Reste der Speisen, die noch im Magen rumoren. Wenn diesen, den Tyrannen des Körpers, würgender Brechreiz plagt, greife man sogleich zu Sellerie mit Wasser und herbem Essig, was die Übelkeit, vom wirksamen Heilmittel besiegt, rasch weichen lässt. 

Übersetzung der drei Beispiele aus Strabos „Liber de cultura hortorum“ (Buch über die Gartenkunst) nach der Textgrundlage der von Ernst Dümmler herausgegebenen Ausgabe Poetae Latini aevi Carolini, Bd. 2, Berlin 1884.