Mai 2025

Es ist wohl immer noch das erste und bisher einzige Denkmal zu Ehren des großen englischen Dramatikers auf dem europäischen Festland. Bereits vor der Gründung der Goethe-Gesellschaft 1885 hatten Shakespeare-Verehrer 1864 die Deutsche Shakespeare-Gesellschaft in Weimar ins Leben gerufen und ihm im April 1904 zum 40. Gründungstag der Gesellschaft ein imposantes Denkmal aus weißem Marmor errichtet. Im Park an der Ilm fand es vor der Künstlichen Ruine bis heute seinen Platz, lediglich unterbrochen von einer „Denkmalswanderung“ vor die Schlossbastille in den Jahren 1950 bis 1963. Der Berliner Bildhauer Otto Lessing ließ sich durch Shakespeares Historiendrama „Heinrich IV.“ zu der lockeren „auf der Ecke sitzenden“ Körperhaltung anregen. Foto: Literaturlandschaften e.V.  

Literaturlandschaften e.V.

Er kennt sich natürlich in der deutschen Literatur längst aus und weiß, dass Eckermann über ihn, Shakespeare, gesagt hat, er gleiche „einer hellen Mondnacht“, in der „alles nächtliche Ungetüm losgelassen“. Mir ist, als studiere er gerade mit seinen Elfen den Tanz ein für die in wenigen Tagen anstehende Mittsommernacht. Ich bleibe stehen, sehe ihm ins Marmorgesicht und frage übermütig, ob es stimme, was man oben in der Stadt munkele, nämlich, dass er, der große Shakespeare, keinen Faust hätte schreiben können. Und noch übermütiger rufe ich ihm, wenn auch mit schlechtem Gewissen, eine Kränkung der dreißiger Jahre zu, die der braune Germanist Wilhelm Fehse 1938 im Goethe-Jahrbuch dem gläubigen Goethe-Volk ans Herz legte: „Shakespeare kann man begreifen; Goethe nicht.“

Herausforderungen dieser Art ist er natürlich gewohnt. Schon im Ersten Weltkrieg, in den kriegerischen Auseinandersetzungen mit seiner Heimat England, wollten ihm einige Zeitgenossen ans marmorne Denkmalsleder, weil sie seine Anwesenheit in Weimar plötzlich unpassend fanden. Und 1939 bis 1945 stand sein literarisches Asylrecht wieder auf Messers Schneide, wenn auch manche Abiturklasse selbst dieser Jahre ihn bei ihrer Weimar-Abschlussfahrt pflichtgemäß mit einem pennälerhaften „To be, or not to be, that is the question“ zu beeindrucken suchte. Zudem, konnte ich ausschließen, dass er die spitze Bemerkung von 1938, er Shakespeare, sei zu begreifen, Goethe nicht, geradezu als Kompliment empfand?

Aus: Koch, „Verweile doch, du bist so schön“ – Kostbare Tage in Weimar 2000-2020, S. 109 f.